Wir wissen also: Gene allein sind nicht alles. Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Gene! Gene steuern nicht nur, sondern sie werden auch gesteuert. Der genetische Code programmiert Menschen also nicht unveränderbar für den Rest ihres Lebens. Die Epigenetik hat Mitspracherecht. Dabei sind vor allem die ersten Lebensjahre und das Verhalten der Mütter in der Schwangerschaft entscheidend. Aber auch noch im Laufe des Lebens können Menschen das Zusammenspiel ihrer Gene und damit ihrer Möglichkeiten beeinflussen.
Die Epigenetik zeigt uns vor allem, dass kleine Dinge im Leben eines Menschen große Wirkung entfalten können. So wie sich die Körperzelle in ihr Gewebe eingliedert, stellt sich auch der Organismus auf seinen Lebensraum ein. "Das Genom codiert alle Möglichkeiten, die einer Zelle offen stehen. Doch es ist das Epigenom, das die Möglichkeiten zur Wirklichkeit werden lässt", resümiert Dr. Anja Vervoorts.
Anders formuliert: "Epigenetik verändert nicht die Gene, sondern das An- oder Abschalten von Genabschnitten", erklärt Prof. Michael Schmidt, Biochemiker und Hautexperte, der die Gebiete Wissenschaft und Kosmetik in seinem Unternehmen "Dermatolan" vereint hat. Konsequent weitergedacht bedeutet das: Wenn wir wissen, welche Genabschnitte bei Menschen mit vorzeitiger Alterung oder mit bestimmten Krankheiten oder mit auffälligen Verhaltensmustern vermehrt Stoppmoleküle in ihren Erbanlagen an immer den gleichen Stellen aufweisen, dann ist es denkbar, diese Signale gezielt zu manipulieren. "Das ist aber Zukunftsvision", so der vielseitige Experte. Lediglich in Einzelfällen gelinge das heute schon ansatzweise: So konnten etwa Forscher des Krebsforschungs-Zentrums in Heidelberg bei Krebspatienten ganz typische Verteilung von Stoppsignalen (also sogenannte "Methylierungs-Muster") feststellen, die sich von denen gesunder Menschen unterscheiden. Den Forschern ist es gelungen, die Stoppsignale auf einigen Genabschnitten zu entfernen, die die Bildung von Immunzellen blockiert hatten. Solche ersten Anfangserfolge klingen zwar vielversprechend, sind allerdings therapeutisch noch nicht nutzbar. "Bis zur Entwicklung gezielter und vor allem nebenwirkungsarmer Epigenetik-Medikamente ist es noch ein weiter Weg", prognostiziert Prof. Schmidt. Weit, aber nicht unmöglich. Was heute schon unstrittig ist, sind die Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf unsere Haut.