Durch die Fingerspitzen in die Seele: Wir brauchen Berührung wie Wasser und Luft.
Corona-Kilos, Lockdown-Koller, digital overload – Begriffe, die es bis vor kurzem noch nicht einmal gab, gehören heute zur Alltagskommunikation. Was das physical distancing mit uns macht, könnte ungeahnte Langzeitfolgen mit sich bringen. Die soziale Distanz können wir digital teilweise überbrücken. Aber die physische Distanz, sprich: fehlende körperliche Nähe zu kompensieren, stellt eine besondere Herausforderung dar.Eine gesunde Balance zu finden, damit Körper und Seele (wieder) im Gleichgewicht sind, bleibt unsere tägliche Aufgabe – auch in der Beautybranche.
Unser Monatsthema im April befasst sich mit der Kraft der Berührung – und welche Alternativen wir in Zeiten des Lockdowns nutzen können. Wie wäre es zum Beispiel mit "Entspannung auf Knopfdruck"? Mehr dazu lesen Sie in unserem exklusiven Ausstellerinterview mit Ursula Sauer von brainLight, dem "Relax-Profi". Doch nun heißt es erst einmal: Lassen Sie sich berühren!
Berührung ist ein menschliches Grundbedürfnis. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Körperkontakt für unsere Gesundheit ebenso essenziell ist wie Wasser und Nahrung. Doch wie steht es in Zeiten der Pandemie, in "touchless times", mit der so notwendigen menschlichen Berührung? Einerseits ermöglicht die Digitalisierung zwar Vernetzung, verhindert aber zugleich die echte (körperliche) Verbindung. Wie also können wir Nähe erfahren trotz Abstand?
Eine wissenschaftliche Umfrage* hat ergeben, dass die meisten Menschen unter dem Berührungsmangel leiden. So wünschen sich etwa 72 Prozent aller Menschen, öfter umarmt zu werden. Und 82 Prozent der Teenager kompensieren den Mangel an Berührung, indem sie mehr Zeit in sozialen Medien verbringen.
Es ist ein Paradox der Pandemie: Körperkontakt ist gesundheitlich wichtig, zugleich steigt durch menschliche Nähe das Infektionsrisiko. Vielen Menschen ist (erst?) durch Corona bewusst geworden, wie wichtig Berührung für ihr Wohlbefinden ist. Was passiert in uns (und mit uns), wenn wir berührt werden oder selbst berühren?
"Wir brauchen vier Umarmungen pro Tag zum Überleben, acht Umarmungen für Stabilität und zwölf Umarmungen pro Tag zum innerlichen Wachsen." (Virginia Satir)
Die Kraft der Berührung (Hautkontakt)*…
stärkt unser Immunsystem
normalisiert Herzschlag und Blutdruck
verringert Angstsymptome
mindert Einsamkeitsgefühle
lindert Depressionen
mindert Stress
erhöht die Überlebenschance von Frühgeborenen
steigert Gefühle von Zusammengehörigkeit
erzeugt Glückshormone
wirkt schmerzlindernd
Warum ist das so? Schauen wir uns hierzu einmal unser größtes Sinnesorgan an, denn hauptsächlich nehmen wir Berührungen über unsere Haut wahr*: In der zweiten Hautschicht, der Dermis, befinden sich die meisten Berührungsrezeptoren. Sie übertragen Berührungen der Haut an das Gehirn.
Bekanntlich sind nicht alle Hautbereiche gleichermaßen berührungsempfindlich. Neben ihrer Anzahl und ihrer Verteilung in der Haut unterscheiden sich Berührungsrezeptoren auch darin, welche unterschiedlichen Erfahrungen und Empfindungen sie an das Gehirn signalisieren. Einige Rezeptoren reagieren speziell auf mechanische Stimulation, andere sind hingegen empfänglicher für Temperatur, Schmerz oder sanfte Liebkosungen.
(*Quelle:emotion Sonderbeilage Feb. 2021)
Interview
Wandel als Chance begreifen
"Life in Balance" lautet das Motto der brainLight GmbH. Weltweit unterstützen sie Menschen dabei, in ihre persönliche Balance zu kommen. In unserem Ausstellerinterview erzählt Geschäftsführerin Ursula Sauer, wie das Unternehmen Krisenzeiten überwindet, welche Strategien zur Stressprävention in stürmischen Zeiten genutzt werden und wie man Wandel als Chance begreifen kann.
Schon wenn Hände sich berühren, werden "Glückshormone" freigesetzt.
Tanz der Hormone
Berührungen verbinden Menschen mit ihrer Umwelt und mit dem eigenen Inneren. Leider kommen Umarmungen im Alltag von Erwachsenen viel zu selten vor – erst recht in Coronazeiten. Dabei kann eine (gewollte!) Berührung nachweislich Stress reduzieren und unser Immunsystem stärken. Dafür verantwortlich sind so genannte "Glückshormone" wie Oxytocin und Serotonin.
"Jeder, der Medizin studieren will, sollte zunächst die Kunst der Massage meistern." (Hippokrates)
Diese Botenstoffe werden bereits ausgeschüttet, wenn wir uns nur an den Händen berühren. Bei Umarmungen ist die Ausschüttung besonders hoch. Der "Tanz der Hormone" lässt uns entspannen, steigert unsere Laune und steuert die Durchblutung. In Kombination miteinander wirken die Hormone nahezu wie ein Wundermittel. Und das 'nur', weil wir zum Beispiel eine Umarmung, eine Gesichtsbehandlung oder eine Massage bekommen.
Wenn nun – wie derzeit – direkte körperliche Kontakte nicht möglich sind, so sind doch wenigstens "technische" Hilfsmittel gegeben, die eine körperliche Berührung wenn nicht ersetzen, so doch zumindest in hohem Maße simulieren können. Mit einem solchen Beispiel befasst sich unser aktuelles Ausstellerinterview "Wandel als Chance begreifen":
Literaturangaben: Wilhelm Schmid: "Von der Kraft der Berührung", Insel Verlag, 2019, ISBN 3458205225
Buchtipp
"Von der Kraft der Berührung": Berührung stärkt das körperliche und soziale Immunsystem. Aber die große Sehnsucht nach Berührung, die viele Menschen empfinden, wird konterkariert von einer ebenso großen Scheu davor, von Berührungsängsten in verschiedener Hinsicht. Viele kennen Berührung nur noch vom Touchscreen. Wilhelm Schmid macht Vorschläge, wie mit analogen Berührungen eine neue Sinnlichkeit abseits digitaler Geräte zu entdecken ist. Und er zeigt auf, dass das Phänomen der Berührung über die körperliche Ebene weit hinausgeht. Dabei macht er sehr pragmatische Vorschläge, wie man dem Mangel an Berührung im Alltag entgegenwirken kann. Der Autor: Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt. Viele Jahre lang war er als Gastdozent in Lettland und Georgien sowie als "philosophischer Seelsorger" an einem Krankenhaus in der Schweiz tätig.