Worauf Dunkelhäutige bei der Hautpflege achten sollten
Hautärztin Dr. med. Birgitt Kassen kümmert sich mit Leidenschaft und Kompetenz darum, dass sich ihre Patient*innen wohl fühlen in ihrer Haut.
"Mein Ziel ist es, Menschen dabei zu helfen, sich in ihrer Haut wohl zu fühlen!", sagt Dr. med. Birgitt Kassen, Hautärztin aus Leidenschaft. Die Dermatologin mit eigener Praxis in München kümmert sich seit vielen Jahren um die individuellen Hautbedürfnisse ihrer Patient*innen – aus unterschiedlichen Kulturkreisen rund um den Globus.
Hinsichtlich der Hautstruktur und dem Pflegebedürfnis des größten menschlichen Organs gibt es zwar mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen (sehr) dunkler und (sehr) heller Haut. Aber die Hautexpertin weiß: In mancherlei Hinsicht unterscheiden sich die Bedürfnisse von Menschen mit dunkler Haut von den Hautbedürfnissen hellhäutiger Menschen.
Worauf sollten dunkelhäutige Menschen bei der Hautpflege besonders achten? Mit welchen Hautproblemen haben sie häufiger (oder weniger) zu kämpfen als Hellhäutige? Gibt es außer in der Farbgebung überhaupt evidente Unterschiede hinsichtlich der Hautstruktur?
Antworten hat Dermatologin Dr. med. Birgitt Kassen hier in unserem Expertinnen-Interview:
Schönheit heißt: bunte Vielfalt! So verschieden die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Hauttöne: "just beautiful". Foto: Kryolan
Als Dermatologin befassen Sie sich seit vielen Jahren intensiv mit der menschlichen Haut, unserer "Hülle". Können Sie uns aus medizinischer Sicht erklären, wann wir von einer dunklen Haut sprechen?
Der Grad, ab dem wir die Haut als dunkler bezeichnen, ist sehr stark von der individuellen Wahrnehmung abhängig. So bezeichnet ein hellhäutig keltischer Typ schon den etwas brauneren Menschen als dunkelhäutig. Fragt man hingegen einen sommerlich gebräunten mediterranen Typ, so wird dieser eher den Schwarzafrikaner als dunkelhäutig ansehen. Aus diesem Grund haben wir in der Dermatologie zwar bestimmte Einteilungen, jedoch sind diese nur orientierend zu sehen.
Wie viele Hauttypen-Einteilungen gibt es denn aus dermatologischer Sicht?
Es gibt unterschiedliche Einteilungen der Hauttypen, die bekannteste führte der amerikanische Hautarzt Thomas Fitzpatrick im Jahr 1975 ein:
Hauttyp 1: keltischer Typ (sehr hell)
Hauttyp 2: nordischer Typ (hell)
Hauttyp 3: Mischtyp (hellbraune Haut), keine Sommersprossen mehr, Haarfarbe dunkelblond bis braun, Augenfarbe meist braun, seltener blau, grün oder grau
Hauttyp 4: mediterraner Typ (olivfarbene bis braune Haut), keine Sommersprossen, dunkle bis schwarze Haare, Augenfarbe dunkel.
Ab Hauttyp 3 kann man von dunklerer Haut sprechen. Die ursprüngliche Klassifizierung umfasste die Typen I bis IV (weißhäutig) und wurde später durch die Typen V (braune Haut) und VI (schwarze Haut) erweitert.
Bei dieser heute gebräuchlichen Klassifikation ist insofern zur Vorsicht geraten, weil die Hautfarbe nur ein Indiz sein kann, letztendlich aber der prozentuale Gehalt von Eumelanin in der Haut für die Hauttypenfrage ausschlaggebend ist. Der wichtigste Faktor für die Bestimmung des Hauttyps ist die Farbe der unbestrahlten Haut bei Tageslicht, gleichwohl sind beobachtetes Bräunungsverhalten und Sonnenbrandneigung relativ zuverlässige Indikatoren.
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Die passenden Produkte für die individuelle Hautpflege zu finden, ist nicht für alle Hauttypen gleichermaßen einfach. Dunkelhäutige Menschen müssen mitunter lange suchen, bis sie etwa die richtige Foundation für ihren Haut-Farbton oder die Pflegecreme mit entsprechend spezifischen Wirkstoffen finden.
Auch die männliche Haut benötigt individuelle Pflege – unabhängig vom Hautton.
Benötigen dunkelhäutige Menschen spezifische Produkte für die Hautpflege?
Jede Haut ist einzigartig und bedarf besonderer, sprich: individueller Pflege. Allerdings haben Menschen mit dunkler Haut oft bestimmte Eigenschaften in der Hautstruktur. Wenn wir diese Eigenschaften kennen, können sie uns helfen, die Pflege der Haut zu verbessern und die perfekte Kosmetik auszuwählen.
Also ist aufgrund der unterschiedlichen Hautstruktur eine angepasste Pflege anzuraten, idealerweise nach personalisierter Beratung, um Eigenheiten wie etwa Akneneigung oder Überempfindlichkeiten auf bestimmte Inhaltstoffe mitzuberücksichtigen.
So ist beispielsweise bei Neurodermitis/atopischem Ekzem besonders frühzeitig auf eine ausreichende Entzündungshemmung zu achten, da sonst postinflammatorische Hyperpigmentierungen über Monate bestehen bleiben können. Besonders bewährt haben sich hier Aloe-Vera-haltige Pflegeprodukte und Cremes mit Antioxidantien.
Wie unterscheiden sich diese Eigenschaften in der Hautstruktur?
Die Hautstruktur in dunkler Haut unterscheidet sich in mehreren Aspekten, nicht nur hinsichtlich der Farbe. So ist die Lederhaut bei dunklem Hauttyp dicker, dadurch sind tiefe Falten seltener und die Hautalterung ist bis zu zehn Jahre verzögert. Die Epidermis (Hornschicht) wiederum ist bei dunkler Haut dichter (und nicht, wie oft berichtet, dicker!), dadurch ist die Barrierefunktion weniger wirksam als bei heller Haut. Dunklere Haut verliert durch den transepidermalen Wasserverlust leichter Feuchtigkeit, und sieht gerade im Winter, wo wir eine geringere Luftfeuchtigkeit und trockene Heizungsluft haben, schnell schuppig und grau aus. So sind die extremen Klimabedingungen eine wahre Herausforderung.
Stichpunkt Klima und Sonnenschutz: Wegen der großen Menge an Melanin (dem Pigment, das die Farbe der Haut bestimmt), haben dunkelhäutige Menschen einen höheren natürlichen UV-Schutz als Hellhäutige. Benötigt dunkle Haut deshalb kein Sonnenschutzmittel?
Dunkle Haut bietet zwar einen besseren Schutz vor Sonnenstrahlen als helle Haut, aber immun gegen Sonnenbrand ist sie deshalb trotzdem nicht.
Alle Hauttypen haben in etwa die gleiche Anzahl an Pigmentzellen, den Melanozyten. Diese bestehen aus Eumelanin und Phäomelanin. Der Gehalt und die Verteilung dieser beiden Melaninarten unterscheidet sich jedoch: Dunkle Haut besitzt einen größeren Anteil an Eumelanin, das im Gegensatz zum rötlichen Phäomelanin besser vor den schädlichen Einflüssen der Sonne schützt. Ein weiterer Aspekt in Bezug auf Sonnenschutz ist die Dichte der Epidermis, der Hornschicht der Haut. Diese bietet auch einen gewissen Schutz. So kann man sagen, dass dunklere Haut sehr wohl einen besseren Schutz vor der Sonne bietet – allerdings keinen hundertprozentigen! Und da man auch bei dunkelhäutigeren Personen Sonnenschäden der Haut kennt, würde ich stets einen angemessenen Sonnenschutz empfehlen. Generell ist immer darauf zu achten, dass eine ausreichende Vitamin-D-Produktion gewährleistet ist. In unseren Breiten ist die Sonnenexposition meist nicht ausreichend. Daher empfehle ich eine regelmäßige Kontrolle des Vitamin-D-Spiegels und, im Falle eines diagnostizierten Vitamin-D-Mangels, eine entsprechende konsequente Substitution. Das gilt natürlich für alle Hauttypen.
Kann dunkle Haut auch einen Sonnenbrand bekommen?
Ja, auch dunkle Haut kann Sonnenbrand bekommen. Diesen sieht man jedoch nicht so deutlich, da das Rot nicht dominiert, aber die Überwärmung der Haut und das Brennen sind deutliche Hinweise. Deswegen sollte auch dunklere Haut konsequent vor der Sonne geschützt werden. Sie ist zwar durch den höheren Eumelanin-Gehalt besser vor Sonnenbrand geschützt, jedoch neigt gerade dunklere Haut bei kleinen Entzündungen zu Hyperpigmentierungen, die durch Sonnenexposition verstärkt werden können. Durch Sonnenschutz bewahrt man die Haut nicht nur vor vorzeitiger Hautalterung, sondern ermöglicht ihr auch ein ebenmäßigeres Aussehen ohne lästige Dyspigmentierung (helle und dunkle Flecken).
Dunkle Haut bleibt länger jung, trocknet aber schnell aus.
Welche Hautprobleme speziell bei dunkler Haut konnten Sie beobachten?
Die Zellen, die Melanin produzieren, reagieren stärker auf Entzündungen und bestimmte Arten von Hautverletzungen. Aus diesem Grund treten die Probleme der Depigmentierung oder Hyperpigmentierung häufiger auf, insbesondere in den Augenpartien und in den Mundwinkeln. Andere Probleme, die eine Depigmentierung der Haut verursachen, sind Hautverletzungen, die durch Akne oder Keloide verursacht werden.
Was sind Keloide?
Keloide sind wuchernde überschießende Narben, die auch sehr stark jucken können. Das ist ein wahrer Teufelskreis: Das Kratzen aufgrund des Narbenjuckreizes verstärkt wiederum das Wachstum der Keloide – und der Juckreiz wird noch stärker. Je dunkler die Haut, desto grösser ist meist die Neigung zur Keloid-Bildung. Manchmal werden Keloide schon durch kleine Pickelchen oder eingewachsene Haare verursacht. Eine typische Lokalisation können der Bartbereich oder der Nacken sein.
Und wie werden Keloide behandelt?
Keloide sind nicht leicht zu behandeln, meist ist eine konsequente und langwierige Therapie nötig. Dazu kann Silikongel oder auch Unterspritzung mit Entzündungshemmern nötig sein. Besonders bei der invasiven Behandlung der Keloide muss man auf den Pigmenthaushalt der Haut achten, um Hyper- und Hypopigmentierung zu vermeiden.
Bei dermatologischen Behandlungen von dunkler Haut spielen die Pigmentzellen demnach eine besonders wichtige Rolle?
Keine Frage der Hautfarbe: Eine Haut wie "Samt und Seide" – wer wünscht sich das nicht? Damit Akne wenig Chancen hat, sollte der Flüssigkeitshaushalt der Haut stets ausgeglichen sein.
Ja, durchaus. Bei Therapien sollte man vor allem darauf achten, das Pigment der Haut zu schonen. Pigmentzellen sind besonders hitze- oder kälteempfindlich. So wird bei Keloiden zwar gerne die Kryotherapie (Kältetherapie mit flüssigem Stickstoff) genutzt, die jedoch bei dunkler Haut häufig zu Depigmentierungen durch Schädigung der Melanozyten führt.
Lasertherapie dagegen erhitzt meist das Gewebe, so dass auch hier gezielt die geeignetste und gewebeschonendste Methode gewählt werden muss, um das Pigment zu schonen.
Sind Dunkelhäutige stärker von Akne betroffen?
Ja, tatsächlich. Neben Pigmentstörungen kann auch die Akne das sonst ebenmäßige Erscheinungsbild der Haut stören. Auch wenn man sie bei dunklerer Haut nicht so deutlich als rot entzündliche Papeln und Pusteln wahrnimmt, tritt sie relativ häufig auf. Das liegt unter anderem an der bereits erwähnten erhöhten Dichte der Hornschicht.
Was hilft?
Als Therapie eignen sich hornhautauflösende Wirkstoffe, so genannte keratolytische Präparate. Wichtig dabei ist eine feuchtigkeitsspendende Salbengrundlage, da der transepidermale Flüssigkeitsverlust – also ein Wasserverlust durch die Oberhaut hindurch – durch vermehrte Keratolyse (Ablösung von Hornzellen) gerade am Anfang der Therapie nochmals erhöht sein kann. Dadurch erscheint die Haut zunächst trocken und schuppig. Das ist ein typischer Prozess von Erstverschlimmerung, der sich bei konsequenter Behandlung aber bald bessert.
Ihre "Top 10" der Hautpflegetipps für Dunkelhäutige lauten:
Ölfreie und ph-neutrale Feuchtigkeitspflege, welche die Poren nicht verstopft
Reinigungsprodukte mit Salicylsäure
regelmäßiges Peeling
ausreichend Hyaluronsäure
Produkte mit Retinol (Vitamin A1) und Tretinoin (Vitamin-A-Säure)
Sonnenschutz / Tagespflege mit LSF15
Vorsicht vor lichtsensibilisierenden Stoffen wie Johanniskraut, Bergamotte-Öl (wie zum Beispiel im "Earl Grey"-Tee enthalten) und manchen Antibiotika
Bei schon bestehenden Hyperpigmentierungen hilft eine tyrosinasehaltige Pigment-Creme, Tretinoin oder Azelainsäure (Anm.: Tyrosin ist ein Enzym, das an der Bildung von Melanin beteiligt ist. Azelainsäure wird zur lokalen Behandlung von Akne und Rosazea eingesetzt.)
Antioxidantien von innen (zum Beispiel Vitamin C und Vitamin E in Lebens- und/oder Nahrungsergänzungsmitteln)
Ausreichende Versorgung mit Vitamin D
Vielen Dank, Frau Dr. Kassen, für das spannende Interview, das sicherlich nicht nur für Menschen mit dunkler Haut wertvoll ist, sondern auch der Kosmetikbranche interessante Impulse bietet.
Informationen zu unserer Expertin:
Dr. med. Birgitt Kassen ist Hautärztin aus Leidenschaft. Ihr ganzheitlicher Ansatz passt zu ihrer Überzeugung, die Haut als Spiegel der Seele und der inneren Gesundheit zu sehen. Deswegen geht es der charismatischen Dermatologin nicht nur um die äußerliche Hautpflege, sondern um die Gesunderhaltung der Haut von innen – auf Zellebene. In ihrer Praxis in München kümmert sie sich u.a. um die ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen nach individueller Bestimmung mittels Blutanalysen, um die Sanierung des Magen-Darmtraktes und "um die aktive Regeneration unserer Zellkraftwerke, der Mitochondrien, mittels IHHT Training (Intervall Hypoxie Hyperoxie Training). Denn ein vor Energie strotzender Körper leuchtet in seiner Haut".
Weitere Beispiele von ganzheitlich ausrichteten Dermatologie-Praxen:
Der Name ist Programm: Die Praxis "Ganzhautlich" liegt im bayerischen Unterwössen und hat den Menschen im Ganzen (physisch wie psychisch) im Fokus und arbeitet mit individuellen Therapieansätzen: https://www.ganzhautlich.de/
"Wir Menschen wollen attraktiv sein." Die Düsseldorfer Praxis orientiert sich an einem ganzheitlichen Menschenbild, welches Körper, Geist und Seele als gleichwertige Teile eines Ganzen sieht: http://www.medcare-praxis.de/
(Bisher noch) eine Seltenheit: die hautärztliche Facharztpraxis in Frankfurt a.M. vereint Dermatologie und Ayurveda: https://hautaerztin-bauer.de/