Neues wagen!

Wer kennt das nicht: Sie sagen ja, obwohl Sie nein meinen? Sie wissen genau, was richtig für Sie ist, aber Sie handeln entgegengesetzt? Sie geraten immer wieder an falsche Personen und verharren in leidvollen Situationen – aber Sie schaffen es nicht, sich davon zu lösen? "Warum wir in unserem Leben nicht ankommen? Weil etwas in uns genau das nicht will!" Diese These vertritt die Burnout- und Resilienz-Spezialistin Dr. med. Mirriam Prieß. Sie weiß: Oft halten wir uns unbewusst genau von dem ab, was wir uns eigentlich wüschen. So verhindern Prägungen aus der Kindheit unbemerkt die Beziehung zu unserem wahren Ich – und führen uns in berufliche, private und gesundheitliche Sackgassen.

Dieser Ansatz ist neu und vielversprechend. Im Interview erläutert die Expertin, dass vor allem der Mechanismus gelöst werden muss, der sich hinter der kindlichen Prägung verbirgt und dem bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Erfahren Sie hier, wie wir uns von dieser Prägung befreien können, um unser Leben kraftvoll in die richtige Richtung zu steuern. Es gilt das Motto: Auf zu einem erfüllten Leben! Es ist Zeit für einen Spurwechsel!

Frau Dr. Prieß, Sie als Spezialistin wissen: Häufig sind wir selbst unser größter Feind. Warum ist das so?

Weil wir nicht uns selbst folgen, sondern stattdessen unbewussten Wahrheiten und Überzeugungen, die wir in uns tragen. Sie entsprechen nicht dem, wer wir sind – sondern dem, was wir erfahren haben und was uns geprägt hat. Diese inneren Realitäten führen uns in Richtungen, in denen das Scheitern vorprogrammiert ist – sie verhindern das "Ankommen".

Wie entstehen Prägungen in den ersten Jahren und wie wirken sich diese auf unser Leben aus?

Das, was in den ersten Jahren prägt, sind viel weniger einzelne Erfahrungen, sondern die Atmosphäre der Beziehungen, die zu Hause geherrscht haben – also wie unsere Eltern mit sich selbst, miteinander und mit uns als Kind umgegangen sind. Daraus lernen wir, uns selbst und der Welt zu begegnen.

Woran erkennt man, dass man in der falschen Spur ist?

Wir sind in Situationen, die uns nicht guttun, und können uns nicht befreien. Oder umgekehrt: Obwohl wir wissen, was richtig wäre, schaffen wir es nicht, das zu tun. Wir geraten immer wieder an falsche Personen oder scheinen das Unglück magisch anzuziehen. Oder: Obwohl wir es uns wünschen, gelingt die Beziehung nicht. Und dann ganz klassisch: Wir bemerken es meist an Krankheit und Erschöpfung, innerer Leere oder dem Gefühl, nicht anzukommen.

Was können Eltern tun, damit ihre Kinder von Anfang an eine gute Beziehung zu sich selbst aufbauen und dadurch gestärkt ins Leben starten?

Eine wichtige Frage! Sie können den Dialog leben – und zwar zu sich selbst, untereinander und zu dem Kind. Wenn ich Eltern habe, die ein authentisches Leben führen, die miteinander im Dialog sind, die nicht nur Eltern, sondern auch ein Paar sind und die mir im Dialog begegnen, dann lerne ich von Anfang an, Beziehung zu mir selbst aufzunehmen, mich in meinem wahren Wesen zu erkennen und der Welt auf Augenhöhe zu begegnen.

Was genau bedeutet es, Kinder auf ‚Augenhöhe‘ wahrzunehmen?

Es gilt, das Kind in seinem Wesen zu erkennen und mit der Haltung zu begegnen: "Schön, dass du da bist, und so wie du bist, bist du gut. Ich heiße zwar nicht alles gut, was du tust; aber dich, dich heiße ich gut und verhelfe dir, zu dem Menschen zu werden, dessen Wesen du in dir trägst." Viele Eltern haben eine Vorstellung, wie ihr Kind zu sein hat, orientieren sich an der eigenen Kindheit (wollen beispielsweise, dass es ihr Kind einmal besser hat, als sie es hatten) oder an den Erwartungen ihres Umfelds und verlieren so den Dialog zu ihrem Kind.

Warum ist gerade der Dialog so wichtig? Und: Was geschieht, wenn dieser fehlt?

Wenn wir als Kind nicht die Erfahrung gemacht haben, im Dialog zu sein, sondern nur angenommen wurden, wenn wir Bedingungen erfüllt haben. Zum Beispiel: "Ich bin nur gut, wenn ich etwas leiste, wenn ich mich um meine Mutter oder meinen Vater kümmere". Oder wenn wir sogar die Erfahrung der Ablehnung machen mussten, dann können wir keinen Zugang zu uns selbst entwickeln, sondern beginnen stattdessen, das, was wir erfahren haben, als innere Wahrheit über uns selbst und die Welt anzunehmen. Ich nenne dies innere Realität. Darauf bauen wir dann unser Leben auf und sind nicht mehr in der Lage, die äußere Realität richtig zu erkennen.

Wie wirkt sich negative Prägung aus?

Fehlt uns die liebevolle Annahme in den ersten Jahren, dann sind wir voller Sehnen und Hunger, das, was gefehlt hat, nachzuholen. Da wir uns selbst nicht annehmen können, müssen wir die Annahme im Außen suchen. Dafür wählen wir den einzigen Weg, den wir gelernt haben: Wir beginnen etwas zu leisten, um geliebt zu werden, oder sind um jeden Preis um Harmonie bemüht. Diejenigen, die Ablehnung erfahren haben, suchen unbewusst immer wieder Menschen, die sie ablehnen, um die Chance zu haben, die Ablehnung von damals wieder gutzumachen. Wir suchen einfach das, was wir kennen, und so brennen wir auf der Suche nach Erfüllung und Annahme immer mehr und mehr aus. Wir tun dies unbewusst und in der festen Überzeugung, dass dies der richtige Weg in die Erfüllung ist.

Wie schaffen wir es, Blockaden zu lösen, uns aus Situationen, die uns nicht guttun, zu befreien – und uns von Menschen zu trennen, die uns schaden?

Das Gute ist: Es ist möglich. Der Weg aus der Sackgasse beginnt zunächst damit, erst einmal zu erkennen, was mich geprägt hat. Wie sah die Atmosphäre aus, in der ich aufgewachsen bin? Wie ist mit mir umgegangen worden? Welche Überzeugungen trage ich über mich und die Welt? Und im nächsten Schritt gilt es herauszufinden, wer ich tatsächlich bin. Für viele bedeutet dies, erst einmal zu lernen, Kontakt zu sich selbst aufzunehmen und zu lernen, wie der "innere Dialog" geht.

Woran erkenne ich mein wahres Ich? Dass "ich" es bin und nicht meine kindlichen, hinderlichen Prägungen?

Ein entscheidendes Merkmal von Prägung ist, dass man nicht frei handelt, sondern dass etwas in einem einen zwingt, etwas zu tun – häufig sogar, obwohl man weiß, dass es eigentlich besser wäre, dies nicht zu tun oder man eigentlich lieber etwas anderes täte. Prägung ist Zwang. Wenn ich im Gegensatz dazu aus meinem Wesen heraus handele, dann bin ich frei, ich bin im inneren Gleichgewicht, mein Verstand und mein Gefühl stimmen überein und mir geht es gut. Menschen beschreiben den inneren Dialog als ein tiefes inneres Wissen von Stimmigkeit: Ja, das bin ich. Wenn dann mal etwas nicht gelingt, ist man dennoch im Gleichgewicht – während das Handeln aus der Prägung heraus immer an das Außen geknüpft ist. Gelingt in diesem Fall etwas nicht, kommt der Absturz, weil man dann scheinbar nicht mehr ist.

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• Renja Lüer: www.wordwell.de
• Rita Utzenrath: https://textbuero-utzenrath.de/