Das ist ein spannendes Gebiet! Lassen Sie uns hier noch ein bisschen in die Tiefe gehen.
Epigenetische Vorgänge sind zunächst etwas völlig Normales und auch schon sehr lange bekannt. Jede unserer rund 100 Billionen Zellen hat ja identische Erbanlagen, sieht jedoch völlig anders aus und hat je nach Zelltyp völlig unterschiedliche Funktionen. Die Zellen nutzen also nicht die gesamten Erbinformationen, sondern jeweils nur einen Teil davon. Neu ist, dass die Epigenetik-Forschung nun die für die Auslese der Informationen verantwortlichen chemischen Substanzen identifiziert hat. Das sind nach heutigem Wissen spezielle Moleküle (sogenannte Methylgruppen), die sich als "Stoppsignale" in die Kette der Erbanlagen heften können und ein typisches Muster in den Zell-Erbanlagen bilden (das sogenannte "Methylierungs-Muster"). Dadurch werden die in der Kette dahinter liegenden Erbinformationen nicht mehr abgelesen, sie werden sozusagen "stummgeschaltet". Diese Markierungen verschiedener Genabschnitte sorgen also dafür, dass sich unsere Zellen im Laufe unserer Embryoentwicklung spezialisieren und dass sie nicht mehr – wie Embryonalzellen – alles können. Einmal angelegt, bleiben sie für unser ganzes Leben konstant. Eine Nervenzelle bleibt also zum Beispiel immer eine Nervenzelle und kann auch nur das, was eben eine Nervenzelle kann – dachte man bisher.
Die "Stoppsignale" spielen also eine wichtige Rolle, richtig?
Richtig! Erstaunlicherweise können derartige Stoppsignale aber auch noch während unseres Lebens nachträglich in unsere Gene eingebaut werden und somit bestimmte Genabschnitte blockieren. Das kann sich positiv oder negativ auswirken, je nachdem, welche Genabschnitte betroffen sind. Negativ wirken die Blockaden dann, wenn wichtige Stoffwechselprozesse nicht mehr ablaufen oder Immunzellen ihre Tätigkeit einstellen. Das kann zu vorzeitiger Alterung und zu Immunschwächen führen. Aber auch positive epigenetische Veränderungen sind möglich, wenn Genabschnitte blockiert werden, die etwa entzündungsfördernde Botenstoffe herstellen oder für überschießende Immunreaktionen verantwortlich sind. Diese Vorgänge sind sehr wichtig für die Praxisarbeit der Kosmetikerin.