Hallux valgus: Podologe Jörg Halfmann über Ursachen und Therapieformen (Folge 2)
Unsere Füße haben es schwer und (er)tragen es stoisch. Selbst dann, wenn sie die Diagnose "Hallux valgus" erhalten. Für Betroffene ist der Ballenzeh meist mehr als ein ästhetischer Alptraum. Denn die markante Fußfehlstellung kann sich zum komplexen Krankheitsbild entwickeln und starke Schmerzen verursachen. Für Betroffene ist der Ballenzeh meist mehr als ein ästhetischer Alptraum. Denn die markante Fußfehlstellung kann sich zum komplexen Krankheitsbild entwickeln und starke Schmerzen verursachen.
Was Hallux valgus bedeutet und wie und warum diese Fußdeformation entsteht, hat uns Fußexperte Jörg Halfmann im ersten Teil des Interviews erklärt. Was man gegen den Ballenzeh tun kann und wie man ihn am besten schon im Vorfeld vermeidet, verrät er uns nun hier in der zweiten Folge:
Das falsche Schuhwerk ist nicht der Alleinschuldige am Hallux valgus, haben wir gelernt. Auch eine entsprechende Veranlagung kann den Ballenzeh fördern. Wenn der Hallux valgus aber nun einmal ausgeprägt ist, kann er starke Schmerzen am betroffenen Fuß verursachen. Führt dies – aufgrund möglicher Auswirkungen auf die Körperstatik – potenziell auch zu Folgebeschwerden?
Der Hallux valgus ist grundsätzlich erst einmal nur eine Abweichung der Großzehe nach außen und des ersten Mittelfußknochens nach innen. Schlimm wird es erst bei einer starken Ausprägung, da es dann zu Gelenkschmerzen kommen kann. Das kann so weit gehen, dass tiefe Entzündungen, offene Hautstellen und schmerzhafte Druckproblematiken in diesem Bereich entstehen. Darüber hinaus ist durch die Zehenabweichung ein normales Gangbild teilweise nicht mehr möglich. Der Abrollvorgang des Fußes, der wichtig für unser Gleichgewicht ist, kann nicht optimal ausgeführt werden.
Und das führt zu Folgeschäden?
Ja, dies alles führt wiederum zu Ausweichreaktionen des Körpers, wodurch es zu einer Über- und Fehlbelastung und Arthrosebildung anderer Körperteile kommt. Davon betroffen sind dann zum Beispiel Sprunggelenk, Knie oder Hüfte bis hin zur Wirbelsäule. Ein Teufelskreis.
Oft – aber nicht immer – finden sich die Ursachen für einen Hallux valgus im Schuhschrank.
Wie entkommt man diesem Teufelskreis? Nur im Operationssaal?
Vorab muss gesagt werden: Der Hallux valgus wird in verschiedenen Stadien nach der Schwere unterteilt. Einen leichten bis mittelschweren Hallux valgus kann man versuchen, über konservative Therapien zu behandeln und die Schmerzen zu reduzieren. Sind die Belastungen anderer Gelenke durch den Hallux valgus zu stark oder ist der Hallux valgus zu weit fortgeschritten, dann muss man sich tatsächlich mit dem Gedanken an eine Operation auseinandersetzen.
Wie sieht die nicht-operative, also die konservative Behandlung eines Hallux valgus aus?
Bei der konservativen Therapie ist es wichtig, zunächst die Komponenten zu ändern, die den Hallux valgus begünstigen. Das bedeutet, keine hochhackigen Pumps tragen, sondern solche Schuhe auswählen, die den Zeh nicht zusätzlich nach außen drücken. Außerdem sollten auch die Socken nicht zu eng sein. Dann empfehle ich immer unterstützende Maßnahmen wie eine Orthose. Hier gehört für mich bei jeder Therapie die Nachtlagerungsorthose dazu, welche ich selbst anfertige.
Was können wir uns unter Nachtlagerungsorthosen vorstellen?
Man muss sich das so vorstellen, dass die Nachtlagerungsorthose wie eine Zahnspange die Zehen wieder in Korrektur bringt. Der Zeh wird dazu erst einmal so korrigiert, wie er eigentlich stehen sollte. Dann wird eine Zwei-Komponenten-Masse zwischen die Zehenzwischenräume modelliert und ausgehärtet. Die Nachtlagerungsorthose trägt man – wie der Name schon verrät – über einen längeren Zeitraum nachts.
Röntgendiagnose: Valgusfehlstellung im Großzehengrundgelenk mit vermehrter Sklerosierung der Gelenkflächen. Behandlung: konservativ mittels Orthose und Einlage.
Kann man den Effekt der Orthosen noch unterstützen?
Zusätzlich ist Fußmuskeltraining mit Bewegung und Dehnung zur Stabilisierung durchzuführen. Hier sollte man aber vorsichtig sein: Viele Fußmuskelübungen, wie zum Beispiel Greifübungen, sind eher kontraindiziert und begünstigen wiederum einen Hallux valgus.
Ist eine Operation immer die letzte Option?
Das kann man so pauschal nicht sagen, da der Hallux valgus sich unterschiedlich schnell entwickelt. Ohne Behandlungsmaßnahmen ist allerdings davon auszugehen, dass sich der Hallux valgus über die Jahre hinweg verschlechtern wird, da er progredient ist. Um weitere Körperschäden zu vermeiden ist dann eine Operation nötig. Wenn der Patient jedoch mitarbeitet, ist es möglich mithilfe der erwähnten konservativen Therapien den Verlauf des Hallux valgus aufzuhalten oder wenigstens zu verlangsamen und so eine Operation als letztes Mittel zu verhindern.
Wie kann man – neben passendem Schuhwerk – vorbeugen?
Fußgesundheit und Fußbewusstsein sind ganz wichtig. Den Füßen sollte genauso viel Beachtung geschenkt werden wie allen anderen Körperteilen, denn immerhin tragen sie uns ein Leben lang. Wenn keine muskulären Dysbalancen entstehen und der Fuß nicht eingezwängt wird, kann man dem Hallux valgus sehr gut vorbeugen. Daher sind Muskeltraining, Bewegung, gutes Schuhwerk, passende Socken schon gute Möglichkeiten. Man muss sich eben auch kümmern.
Vielen Dank für das informative Interview und die vielen guten Tipps für eine lebenslange Fußgesundheit. Wir freuen uns schon sehr, Sie als Referent am Treffpunkt Fuß auf der BEAUTY im Mai begrüßen zu können.
Über Jörg Halfmann
Der Heilpraktiker Jörg Halfmann ist Experte für Osteopathie und Podologie mit eigener Praxis in Dortmund. Er arbeitet außerdem als Dozent, denn: "Das Vermitteln und der Austausch von medizinischem Wissen machen mir einfach Spaß", sagt der engagierte Fußspezialist. So hat sich das Fortbildungszentrum Halfmannentwickelt und etabliert.
Der Treffpunkt Fuß steht für fachlichen Austausch, fundierte Weiterbildung und interdisziplinären Wissenstransfer rund um die podologische Therapie und Fußpflege. Das sorgsam kuratierte Fachprogramm greift aktuelle Branchenthemen auf wie "Wirkstoffe in der Podologie", "lichthärtende Kunststoffe", "Selbstständigkeit", "Fachkräftemangel" und "ästhetische Fußchirurgie".