Kleine Schlafkunde

„Wer die ganze Nacht schläft, hat am Tage Anspruch auf ein wenig Ruhe.“ (Kubanisches Sprichwort)

„Gute Nacht, schlaf gut!“ Leichter gesagt als getan. Dabei wissen wir: Schlafen macht schön, Dornröschen ist das beste Beispiel. Schlafentzug macht zickig, auch hier ein Paradebeispiel aus der Märchenwelt: die Prinzessin auf der Erbse. Schlaf ist aber vor allem eines: lebensnotwendig. Schon in der Antike wurde er in Gestalt des Morpheus vergöttert. Der Schlaf erscheint uns auch heute tatsächlich als göttlich – vor allem, wenn er ausbleibt. Doch zum Glück sind wir nicht auf Morpheus‘ Gnade angewiesen, um in einen erholsamen Schlaf zu fallen. Wir können selbst dafür sorgen, uns von der zickigen Erbsenprinzessin in eine entspannte Rosenschönheit zu verwandeln. Wie? Mit fundiertem Wissen über das „Phänomen Schlaf“, ein wenig Geduld und etwas Übung. Und folgenden „schlafpraktischen“ Tipps:

 

Durchschlafen und am nächsten Morgen schön und erfrischt aufwachen? Für viele ein Traum: Fast ein Drittel aller Bundesbürger leidet ständig oder gelegentlich unter Schlafstörungen. Das morgendlich-müde Ergebnis mit Reizbarkeit und Konzentrationsmangel: eher ein Alptraum. Während etwa jede zweite Frau schlecht schläft, ist bei den Männern „nur“ jeder Vierte betroffen. Das mag – unter Umständen – auch an (eher männlichen) schnarchenden Bettpartnern liegen. Generell gilt aber als Schlafräuber Nummer Eins: Stress – sowohl beruflicher als auch familiärer Art.

Tipps gegen Schlafstörungen gibt es viele, sie reichen von einem Glas warmer Milch oder einem Entspannungsbad vor dem Zubettgehen über eine optimale Schlafzimmertemperatur um 18 Grad Celsius bis hin zum Verzicht auf unpassende Getränke (alkohol- oder koffeinhaltig) und Speisen (zu spät, zu fett). Doch wer wissen will, was bei Schlafproblemen hilft, sollte zuvor wissen, was Schlaf überhaupt ist. Unser kleiner Beitrag über den großen Unbekannten (den Schlaf) möchte daher ein wenig Licht ins Dunkel (der Nacht) bringen:

Unter Schlaf verstehen Mediziner einen Erholungszustand, ohne den der Mensch nicht leben kann - bei extremem Schlafentzug treten beispielsweise Halluzinationen auf, unser Gehirn spielt verrückt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass unsere grauen Zellen sich im Schlaf regenerieren und dabei Gelerntes im Gedächtnis festigen – was allerdings nicht zur logischen Konsequenz hat, dass verpennte Langschläfer generell klüger sind. Unser Schlaf entscheidet aber über Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Schlafforscher sind der Ansicht, dass wir im Traum versuchen, Lösungsstrategien für Situationen zu finden, die uns am Tage belastet haben - ein guter Grund gerade für Workoholics und Gestresste, sich mehr Schlaf zu gönnen.

Was passiert nachts?

Während der Nacht verändern sich unsere Körperfunktionen unmerklich. Tagsüber, wenn die Muskeln auf Hochtouren laufen, können beispielsweise Magen und Darm kaum arbeiten. Erst nachts, wenn die Muskeln zur Ruhe kommen, kann die Verdauung richtig anlaufen. Die Herzfrequenz nimmt ab, die Muskulatur erschlafft. Am langsamsten schlägt unser Herz gegen sechs Uhr morgens. Atemfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur sinken im Schlaf auf ein Minimum. Einige Stoffwechselfunktionen, so die Hormonproduktion, sind hingegen besonders aktiv. Auch das Liebesleben kommt auf Hochtouren – sofern man es nicht verschläft.

Der Durchschnittseuropäer verschläft ein Drittel seines Lebens und gewinnt unter allen „Säugetieren“ die Bronzemedaille. Silber für den Löwen (natürlich nur das rudelführende Männchen), Gold für das Faultier, das unter 15 Stunden Schlaf nicht einmal ein Augenlid hebt. So liegt der Mensch mit seinen 25 Jahren Schlaf bei einer Lebenserwartung von 75 Jahren zwar „an der Spitze der Langzeit-Penner“ (Zitat: Verhaltensforscher Vitus B. Dröscher) – die Rechnung funktioniert allerdings nur bei einer regelmäßigen und für viele luxuriösen Mindestschlafdauer von acht Stunden pro Nacht.

Und die sei laut Schlaf-Forscher Prof. Dr. James Maas (Cornell University, New York), der zehn Stunden fordert, eigentlich noch zu kurz: "Der Grund, warum es uns im Urlaub oder am Wochenende besser geht, ist nicht, weil wir nicht arbeiten, sondern weil wir dann mehr schlafen!". Der Durchschnittsbürger schlafe jedoch nur 6,7 Stunden pro Nacht, obwohl schon eine Steigerung von acht auf neun Stunden eine Erhöhung der Produktivität am nächsten Tag um 20 Prozent bedeute. Also: anstatt untätig herumzusitzen – ab in die Federn!

Schlafstörungen bedeuten nicht, dass Betroffene überhaupt kein Auge zutun. Unter Umständen liegen sie länger als eine halbe Stunde wach, oder sie stehen nachts auf und können nur schwer wieder einschlafen. Schlafcoach Christine Lenz weiß, warum sich viele Menschen um den Schlaf bringen, und gibt wertvolle Tipps für gesunden und erholsamen Schlaf: „Ich empfehle Achtsamkeits- und Entspannungsübungen, denn unser Körper benötigt für das Ausschütten des Schlafhormons Melantonin geistige und physische Ruhe“, rät die Expertin für gesundes Schlafen.

Nächtliches Aufwachen ist übrigens durchaus normal, meistens passiert es unbemerkt. Auf keinen Fall sollte man in einer kurzen Wachphase auf die Uhr gucken, dass bringt nur Stress („Ohweh, jetzt habe ich erst zwei Stunden geschlafen…nur noch drei Stunden bis zum Wecker…und ich MUSS doch morgen fit sein…“). Auch Lichtquellen sind ungünstig, denn Melantonin braucht Dunkelheit. Besonders schlafstörend sind blaue Lichtquellen von Smartphone & Co. – ganz unabhängig von der Strahlung unserer digitalen Dauerbegleitung. Technische Geräte am besten komplett aus dem Schlafzimmer verbannen. Des Weiteren empfehlen die Schlafforscher, tendenziell eher früher ins Bett zu gehen und tagsüber dafür zu sorgen, das – schlafhindernde – Hormon Cortisol durch Bewegung an frischer Luft bei Tageslicht abzubauen.

 

Die vier häufigsten Schlafpositionen sind die Fötuslage (auf der Seite, Knie gebeugt und angezogen), die ausgestreckte Bauchlage, die Königslage (auf dem Rücken) und die Seitenlage mit leicht angewinkelten Knien. Es gibt auch exotische Positionen mit noch exotischeren Bezeichnungen aus der Psychoanalyse wie „Kettensträflingshaltung“ (Seitenlage mit übereinander geschlagenen Füßen), Sandwich- oder Heldenlage (Arme und Beine parallel aufeinander in der Seitenlage), Flamingo-, Mumien- oder Sphinxlage. Und was die einzelnen Schlafhaltungen über den Schläfer aussagen, ist zum Teil nicht minder exotisch. Ob wissenschaftlich haltbar oder nicht, die Psychologie zumindest hält spannende Deutungen parat. Nun denn: „Zeige mir, wie du schläfst, und ich sage dir, wer du bist“:

Bauchlage

Bauchschläfer sind selbstbewusst, unabhängig und wissen, was sie wollen. Pünktlichkeit und Ordnung – bis hin zur Pingeligkeit - sind ihnen wichtig, Überraschungen eher unliebsam. Sie übernehmen gerne die Führungsrolle – beruflich wie privat.

Rückenlage

Ein Sprichwort sagt: „Der König schläft auf dem Rücken, der Weise auf der Seite und der Reiche auf dem Bauch“. Als König oder Königin lieben Sie es, im Mittelpunkt zu stehen, stehen Neuem offen gegenüber und kennen keine Tabus. Ehrlichkeit ist Ihnen wichtig. Sie sind charmant und vertrauenswürdig, haben viele Freunde und großes Selbstvertrauen. Nur bei den Langzeitbeziehungen hapert es noch.

Fötuslage

Laut Psychoanalyse haben sich Personen, die in dieser eingerollten Lage schlafen, noch nicht entfaltet und wagen es nicht, sich dem „wahren Leben“ zustellen. Sie sind  schüchtern und haben ein starkes Schutzbedürfnis. Gerne verkriechen Sie sich in Ihr  Schneckenhaus und machen sich viel zu viele Gedanken darüber, was andere über sie denken. Oft stehen fötale Schläfer in engen Abhängigkeitsbeziehungen.

Seitenlage

Die häufigste aller Schlafpositionen, auch halbfötale Lage genannt, bietet die größte Beweglichkeit, ohne die gewohnte Schlafstellung zu ändern. Sie ist somit nicht nur bequem, sondern auch praktisch – sprich: vernünftig. Seitenschläfer sind ausgewogene, selbstsichere Personen, harmonieliebend und kompromissbereit. Bei Streitigkeiten übernehmen sie gerne den Part des Schlichters.

Der Langschläfer
Der Langschläfer schläft mindestens acht Stunden am Tag, oft aber auch neun Stunden und länger. Oft versuchen Langschläfer, sich an einen sogenannten "normalen", das heißt, acht Stunden währenden Schlafzyklus anzupassen. Das Resultat ist dann eine erhöhte Tagesmüdigkeit und ein Abfall der Leistungsfähigkeit über den Tag.

Der Kurzschläfer
Der Kurzschläfer kommt mit weniger als acht Stunden, oft aber auch mit sieben oder weniger Stunden Schlaf aus.

Der Morgenmensch
Der Morgenmensch, von den Forschern auch Lerche genannt, geht früh zu Bett und steht früh auf. Frühaufsteher gelten daher oft als vorbildlich und leistungsfähig. Was natürlich wissenschaftlich so nicht haltbar, aber gesellschaftlich eben anpassungsfähiger ist.

Der Abendmensch
Der Abendmensch, von den Forschern Eule genannt, geht spät in der Nacht schlafen. Viele Mitteleuropäer gehören zur Spezies der „leichten Eulen“, etwa 10 Prozent aller Schläfer sind „späte Eulen“: Nach ihrem inneren Rhythmus neigen sie dazu, erst später am Tag, oft erst in den Abendstunden ihre volle Leistungsfähigkeit zu entfalten. Eulen haben es aufgrund ihres Lebensrhythmus, den niemand umpolen kann, im normalen Arbeitsleben schwerer: Sie haben eine "schlechte Presse", obwohl psychologische Untersuchungen beweisen, dass die Unterschiede in den Charaktereigenschaften zwischen Lerchen und Eulen keineswegs sehr ausgeprägt sind.

Welcher Schlaftyp auch immer man ist, ob kurz oder lang, früh oder spät, in Seiten- oder Bauchlage – in den allermeisten Fällen wird es gelegentlich zu unfreiwillig durchwachten Nächten kommen. Wenn sich die schlaflosen Nächte jedoch häufen und langfristig zu zermürbenden Schlafstörungen führen, ist dringend Hilfe erforderlich. Auszeiten vom Alltag sind ein erster Schritt: Viele Wellness-Einrichtungen und Spa-Institute sind mittlerweile auf „schlaflose Gäste“ eingestellt und bieten entsprechende „Schlaf-Angebote“. Schlafcoach Christine Lenz ist Expertin im Bereich Schlafmedizin und erzählt im Interview, worauf es dabei ankommt: 

Jürgen Zulley: „Schlafkunde. Wissenswertes rund um unseren Schlaf“, ISBN 978-3-86321-400-5, Mabuse-Verlag (Neuerscheinung 2018):

„Schlaf ist ein faszinierender und geheimnisvoller Teil unseres Daseins. Aber was ist Schlaf überhaupt? Je mehr man sich mit diesem allnächtlichen Zustand befasst, desto klarer wird, wie sehr der normale Schlaf noch im Dunkeln verborgen liegt.“ Der renommierte Schlafforscher Jürgen Zulley erläutert verschiedene Facetten des Schlafs wie Schlafdauer, Heilschlaf, Schönheitsschlaf, Einfluss des Mondes oder Ernährung in verständlicher und unterhaltsamer Weise, aber auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Weitere Bücher von Jürgen Zulley: „Unsere Innere Uhr“, „Wach und fit“, „Die kleine Schlafschule“ (Mabuse-Verlag), „Mein Buch vom guten Schlaf. Endlich wieder richtig schlafen“ (Goldmann)

• Hier erhalten Sie alle Adressen von Schlaflabors in Deutschland: Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin - https://www.dgsm.de/

• Hier werden die verschieden Schlafstadien vorgestellt und erklärt, was währenddessen passiert: https://somnishop.com/gut-und-gesund-schlafen-in-den-schlafphasen/

• Hier gibt es einen Selbst-Test zum Thema Schlafstörung: https://www.praxisvita.de/selbst-test-leide-ich-unter-einer-schlafstoerung-9490.html

• Video „Gesunder Schlaf“: https://www.ardmediathek.de/tv/Kaffee-oder-Tee/Gesunder-Schlaf/SWR-Fernsehen/Video?bcastId=243480&documentId=53335552

• Schlaftraining/Übungen zur Selbsthilfe: www.soundersleep.com (englische Seite), www.atempausen.eu

• Entspannungsmusik (im Pulstakt 60): Arnd Stein „Träume“: http://www.vtm-stein.de/entspannungsmusik/916-traeume.php

• „Die meisten Mitteleuropäer sind leichte Eulen“: Eine der größten Datensammlungen zu dem Thema hat Prof. Till Roenneberg (englisch): https://www.imp.med.uni-muenchen.de/research/human_chronobiology-roenneberg/index.html

• Buchtipp „Wake up!“ und viele wertvolle Links zum Thema „Ausgeschlafene Gesellschaft“ bietet die Seite von Schlaf- und Hirnforscher Peter Spork: http://www.peter-spork.de/91-0-Wake-up.html

Fachverband Schlafapnoe/Chronische Schlafstörungen im Sozialverband VdK Deutschland, Wurzerstr. 4a, 53175 Bonn

Bundesverband Schlafapnoe Deutschland, Deipenbecktal 171, 45289 Essen

Atmung im Schlaf – Zusammenschluss selbstständiger Selbsthilfegruppen im Verbund Deutscher Selbsthilfen in der Schlafmedizin, Linneper Weg 44, 40885 Ratingen

Sie möchten Kontakt aufnehmen? Gerne!

• Renja Lüer: www.wordwell.de
• Rita Utzenrath: https://textbuero-utzenrath.de/