Frau Baumgartner, Herr Strini, beginnen wir mit dem Grundlegenden: Was genau sind Faszien – und wie funktionieren sie?
Die Faszie ist ein körperweites Netzwerk. Sie ist in verschiedene Schichten von faserigem, kollagenhaltigem Bindegewebe unterteilt und untrennbar mit dem Muskel verbunden – deswegen sagt man dazu auch Muskel-Fasziensystem. Unsere Bewegungsabläufe funktionieren nicht in einzelnen Muskeln, sondern in langen Muskel-Faszien-Ketten, welche unseren gesamten Körper durchziehen. Ohne die Faszien wäre die muskuläre Kraftübertragung innerhalb unseres Körpers nicht möglich: Wenn der Muskel sich zusammenzieht, gibt die Faszie die Kraft im Körper weiter, was die Voraussetzung für eine koordinierte Bewegung darstellt. Die Faszie ist unser sechster Sinn, unser »Spürorgan«, denn in ihr sitzen wichtige Sensoren. In der Fachsprache werden sie Rezeptoren genannt: Sie helfen uns bei der Orientierung in der Umwelt (Propriozeption), aber auch bei der Wahrnehmung des eigenen Körpers (Interozeption).
Das ist sehr interessant! Manchmal allerdings tun wir auch Dinge, die nicht gut für unsere Faszien sind. Womit schaden wir ihnen?
Der Faszie kann sowohl durch Über- als auch durch Unterbelastung geschadet werden. Bei einer Überbelastung der Faszie, zum Beispiel durch sich immer wiederholende Bewegungen im Sport, kann diese verkleben. Die Flüssigkeit zwischen den Faszienschichten schwindet, es kann zu Reibung und Entzündungen kommen. Das Gegenteil ist die Unterbelastung der Faszie. Durch die Technisierung und die Digitalisierung hat die Bewegung in unserem Alltag stark nachgelassen. Viele Menschen verbringen Stunden täglich am Schreibtisch und bewegen sich nicht ausreichend. Langes Sitzen ist für den gesamten Organismus Gift. Jedoch führt diese Unterbelastung der Faszien auch dazu, dass einzelne Schichten verfilzen, ihre Gleiteigenschaften verloren gehen und somit auch die Belastbarkeit. Eine verdickte Rückenfaszie beispielsweise kann der Grund für Rückenschmerzen mit ungeklärten Ursachen sein.